Prospekt des Medienfonds VIP 4 unrichtig – Musterentscheid OLG München

OLG München
Prospekt des Medienfonds VIP 4 unrichtig – Bank und Initiator haften

Mit einem Musterentscheid hat der Senat für Kapitalanleger-Musterverfahren des OLG München zu Gunsten zahlreicher Anleger festgestellt, dass der Prospekt des Medienfonds VIP 4 teilweise unrichtig, unvollständig und irreführend ist und sowohl die UniCreditbank als auch der Fondsinitiator für die erkannten Prospektfehler verantwortlich sind.

Zum Sachverhalt
Am 26. 3.2004 hatte die VIP Vermögensberatung München GmbH für die Beteiligung an der Film & Entertainment VIP Medienfonds 4 GmbH & Co. KG einen Prospekt veröffentlicht, der den potenziellen Anlegern dieses Fonds Einzelheiten der Anlage verdeutlichen sollte und in der Folge bei der Einwerbung von Anlegern auch zum Einsatz kam. Wie das OLG nach Beweisaufnahme nunmehr festgestellt hat, ist der Prospekt insoweit unrichtig, unvollständig und irreführend, als das steuerrechtliche Anerkennungsrisiko, das Verlustrisiko und die Prognoserechnung fehlerhaft dargestellt worden sind.

Entscheidung des OLG
Das OLG hat darüber hinaus entschieden, dass der Musterbeklagte zu 1 – Herr S – und die Musterbeklagte zu 2 – die UniCredit Bank AG, die früher als Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG firmierte – hierfür verantwortlich sind, sie schuldhaft gehandelt haben und den Anlegern ein Anspruch auf Schadenersatz zustehen kann.
Das OLG ist in seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass die Musterbeklagten maßgeblich daran beteiligt waren, dass die Überweisungen der Gelder von der Fondsgesellschaft an die beteiligten Firmen abweichend von den Vorschriften des Prospekts erfolgten. Der Senat wertete das gesamte Vorgehen als sog. Umgehungsgeschäft i. S. des § 42 I AO. Dies bedeutet, dass die zu Grunde liegenden Geschäfte rechtlich und wirtschaftlich wirksam sind, sie aber in steuerrechtlicher Hinsicht nicht anerkannt werden, da ein Missbrauch der rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten vorliegt. Davon ist auszugehen, wenn die gewählte vertragliche Gestaltung zur Erreichung des erstrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist.
Nach den Feststellungen des OLG flossen nur ca. 20 % der Fondsgelder in die Filmproduktion. Mit den restlichen ca. 80 % sollte dagegen ein reines Einlagengeschäft bei einer Bank getätigt werden. Die Fondsgesellschaft sollte im Jahre 2014 einen festen Betrag erhalten, unabhängig von dem wirtschaftlichen Erfolg der Filme. Ein derartiges Einlagengeschäft wäre aber steuerlich nicht als unternehmerische Beteiligung mit einer großen Verlustzuweisung an die Anleger anerkannt worden. Aus diesem Grund wurden die Verträge so gestaltet, dass die Gelder über diverse Firmen geleitet werden konnten, die sich mit der Filmproduktion befassten. Einen realistischen wirtschaftlichen Hintergrund hatte dies zur Überzeugung des Senats aber nicht. In steuerrechtlicher Hinsicht sind diese Vertragsgestaltlungen daher nicht anzuerkennen. Darüber hinaus wurde, wie der Senat festgestellt hat, das tatsächlich bestehende Verlustrisiko gegenüber den Anlegern verharmlost. Der Fonds wurde als „Garantiefonds” bezeichnet, obwohl es keine Garantie gegenüber den Anlegern gab. Im Text wird wiederholt die Formulierung verwandt „Absicherung von 115 % des Kommanditkapitals”, obwohl keine derartige Absicherung existierte.
Auch die Prognoserechnung, die die Gewinnerwartung der Anleger beschreibt, hat der Senat als fehlerhaft eingestuft. Sie ist rechnerisch unrichtig und enthält eine Gewinnprognose, die mit großen Risiken behaftet ist. Mit dem eingesammelten Geld der Anleger sollte die erste Investition getätigt werden. Ausschüttungen sollten nicht erfolgen, sondern die Gewinne sollten reinvestiert werden. Die Gewinnprognose baut auf einer Vielzahl von diesen Re-Investitionen auf. Floppen die ersten Filmproduktionen, steht kein Geld mehr für die folgenden Re-Investitionen zur Verfügung und die gesamte Gewinnprognose bricht zusammen.
Die in dem Musterentscheid aufgeworfenen Fragen sind damit verbindlich für alle in der Bundesrepublik bei den Gerichten anhängigen Klagen um den Medienfonds VIP 4 geklärt, soweit sie auf Prospekthaftung gestützt werden. Die Entscheidung des OLG München ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Alle Beteiligten können, soweit sie ihre Feststellungsziele nicht erreicht haben, Rechtsbeschwerde zum BGH erheben. (OLG München v. 30. 12. 2011 – Kap 1/07)

Pressemitteilung des OLG München Nr. 1 v. 9. 1. 2012

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Medienfonds und Filmfonds

Mit Hilfe von Medienfonds sollen Film- und Fernsehproduktionen bei der Finanzierung unterstützt werden. Bekannt sind vor allem KGAL oder Hannover Leasing. Was grundsätzlich wie eine rentable und auch allgemeinnützige Anlageform aussieht, stellte sich jedoch in der Praxis oft als Risikogeschäft für den Anleger heraus, auch wenn einige der finanzierten Filme sich zu Kassenschlagern entwickelten.

Das Wesen der Medienfonds

In der Sache werden die Medienfonds als geschlossene Fonds vermarktet, der potentielle Anleger kann eine Beteiligung also nur während eines bestimmten Zeitraums zeichnen. Als Anreiz für die Beteiligung wird er dann am Einspielergebnis beteiligt. Die Medienfonds werden meist in der Rechtsform der GmbH & Co KG betrieben; dies führt dazu, dass im Falle der Insolvenz des Fonds eine Haftung für Einlageverluste schwierig zu realisieren ist, da die Gesellschafter der GmbH als diejenigen, die maßgeblich das Geschäft des Fonds gesteuert haben, persönlich nicht haften müssen.

Medienfonds als angebliches Steuersparmodell

Grund für eine Beteiligung an Medienfonds war in der Vergangenheit auch häufig eine steuerliche Besonderheit in Deutschland: es konnten im ersten Jahr der Beteiligung bis zu 100 % der Einlage steuerlich berücksichtigt werden. Diese Möglichkeit wurde 2005 durch eine Gesetzesnovelle beseitigt. Bereits seit 2001 wurde die steuerliche Vergünstigung nach dem so genannten Medienerlass des Bundesfinanzministeriums nur gewährt, wenn die Gesellschafter des Fonds als „Filmhersteller“ gelten konnten, sie auf die Produktion des Films also maßgeblichen Einfluss ausübten. Dies war insbesondere dann problematisch, wenn nur einmal jährlich eine Anlegerversammlung stattfand, bei der eine allgemeine Information über die Filmprojekte gegeben wurde. Auch die Vertretung durch einen Beirat zu diesem Zweck konnte die Steuervergünstigung nur dann herbeiführen, wenn sich darin Fachkundige aus der Film- und Fernsehbranche befanden.

Risiken bei Medienfonds

Allerdings war auch die Beteiligung an den Medienfonds an sich für viele Anleger risikoreich: schließlich handelt es sich um einen Geschäftsbereich, in dem der normale Anleger kaum Erfahrung besitzt, er die Qualität und den Erfolg der produzierten Filme also kaum bewerten kann.
Auch ergaben sich durch die veränderten Möglichkeiten zur steuerlichen Geltendmachung vielfach Nachteile für die Anleger; diese wurden oftmals explizit mit dem Versprechen der Steuerersparnis zur Beteiligung am Fonds verleitet. Nach Änderung der Steuerpraxis folgten dann Nachforderungen durch die Finanzämter. Teilweise wurden die Kunden trotz Kenntnis des Fondsanbieters nicht über diesen Sachverhalt aufgeklärt oder Fondsprospekte falsch gestaltet, so dass es für diese möglich ist, sich von den Fonds zu lösen. Allerdings besteht diese Möglichkeit im Regelfall nur dann, wenn die Vermittler des Filmfonds die maßgeblichen Fakten auch tatsächlich kannten.

Inzwischen sind Medienfonds als Anlage aus den genannten Gründen wohl nicht mehr attraktiv.

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