Mindestbedarf (770,00 EUR) für den Unterhaltsanspruch wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes

Mindestbedarf (770,00 EUR) für den Unterhaltsanspruch wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes

Die Mutter hat nach den Vorschriften des BGB grds. einen Unterhaltsanspruch, wenn sie einer Erwerbstätigkeit infolge Schwangerschaft oder einer durch sie oder die Entbindung verursachten Krankheit nicht nachgeht (§ 1615 l Absatz 2 Satz 1 BGB) oder wenn wegen der Pflege und Erziehung eines Kindes von ihr keine Erwerbstätigkeit erwartet werden kann ( § 1615 l Abs. 2 Satz 2 BGB).
Die Unterhaltspflicht des Vaters beginnt frühestens vier Monate vor der Geburt und besteht für mindestens drei Jahre nach der Geburt ( § 1615 l Abs. 2 Satz 3 BGB).

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat nunmehr in einer neueren Entscheidung am 16. Dezember 2009 über die Höhe und die Dauer eines Unterhaltsanspruchs wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes entschieden. Dem lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Verfahrensbeteiligten lebten im Zeitraum von September 1995 bis März 2006 in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammen. Im November 1995 wurde der erste Sohn der Mutter geboren, der aus einer anderen nichtehelichen Beziehung hervorgegangen ist. Im August 2000 wurde der gemeinsame Sohn geboren. Dieser besucht seit August 2006 die Schule.
Die im Jahre 1968 geborene seit 1987 an Multipler Sklerose leidende Mutter hat Archäologie studiert und nach erfolgreichem Abschluss gelegentlich an verschiedenen fachorientierten Projekten gearbeitet. Zu ihren mit dieser Tätigkeit erzielten Einkünfte ist nichts vorgetragen worden. Seit dem Jahre 2006 ist sie im geringen Umfang erwerbstätig und erzielt daraus Nettoeinkünfte von etwa 200 EUR monatlich.
Die Mutter macht ab Mai 2006 einen unbefristeten Betreuungsunterhalt in Höhe von 908 EUR für den gemeinsamen Sohn geltend.

Das Amtsgericht hat die Klage im Wesentlichen abgewiesen. Das OLG hat der Forderung der Mutter auf die Berufung hin zumindest von Mai 2006 bis Januar 2007 überwiegend stattgegeben. Einen über den Januar 2007 gehenden Anspruch hat ihr das OLG versagt, weil sie ihren Unterhaltsbedarf durch Einkünfte aus einer zumutbaren eigenen Tätigkeit decken könne. Dagegen richtete sich die Revision der Mutter, die erfolglos blieb. Die Pressestelle des Bundesgerichtshof fasst die Begründung wie folgt zusammen:
„Der Unterhaltsbedarf der Klägerin bestimmt sich gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach ihrer Lebensstellung bei der Geburt des gemeinsamen Kindes. Damit kommt es ausschließlich darauf an, welchen Lebensstandard sie vor der Geburt des Kindes erreicht hatte. Denn der Unterhaltsanspruch soll sie nur so stellen, wie sie stünde, wenn das gemeinsame Kind nicht geboren wäre. Anders als beim nachehelichen Unterhalt, bei dem sich der Bedarf des geschiedenen Ehegatten auch nach dem bisherigen Einkommen des anderen Ehegatten bemisst, kann die Mutter eines nichtehelich geborenen Kindes ihren Lebensbedarf nicht vom – ggf. höheren – Einkommen ihres Lebenspartners ableiten, und zwar auch dann nicht, wenn sie längere Zeit mit ihm zusammenlebte (vgl. BGH Urteil vom 16. Juli 2008 – XII ZR 109/09 – FamRZ 2008, 1739). Da der Betreuungsunterhalt ihr eine notwendige persönliche Betreuung des Kindes ermöglichen soll, ohne dass sie in dieser Zeit gezwungen ist, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen, ist ihr allerdings ein Unterhaltsbedarf zuzubilligen, der nicht unter dem Existenzminimum liegen darf. Dieses Existenzminimum als unterste Grenze des Unterhaltsbedarfs darf nach der Entscheidung des BGH in Höhe des nur wenig darüber hinausgehenden notwendigen Selbstbehalts eines Unterhaltspflichtigen pauschaliert werden, der gegenwärtig 770 € monatlich beträgt.

Diesen Mindestbedarf kann die Klägerin ab Februar 2007 in voller Höhe durch zumutbare eigene Erwerbstätigkeit decken. Denn die Klägerin ist ab dieser Zeit – nach der ab Januar 2008 geltenden Neufassung des § 1615 l BGB und erst Recht auf der Grundlage der bis Ende 2007 geltenden früheren Fassung des § 1615 l BGB – jedenfalls zu einer halbschichtigen Erwerbstätigkeit in der Lage. Nach § 1615 l BGB darf sich der betreuende Elternteil nur in den ersten drei Lebensjahren für eine vollzeitige persönliche Betreuung des gemeinsamen Kindes entscheiden. Verlangt er für die Folgezeit weiterhin Betreuungsunterhalt, muss er im Einzelnen darlegen, dass und in welchem Umfang neben den vorhandenen Möglichkeiten der Betreuung in einer kindgerechten Einrichtung noch eine weitere persönliche Betreuung erforderlich ist. Kindbezogene Gründe, die eine weitere persönliche Betreuung des dann 6 1/2 –jährigen Sohnes erfordern, hatte die Klägerin auch auf ausdrücklichen Hinweis des Oberlandesgerichts nicht vorgetragen. Im Revisionsverfahren war deswegen davon auszugehen, dass neben dem Schulbesuch auch eine Nachmittagsbetreuung in Betracht kommt. Weil die Klägerin über die Dauer des gemeinsamen Zusammenlebens hinaus auch keine elternbezogenen Verlängerungsgründe vorgetragen hatte, ist sie zu einer Erwerbstätigkeit verpflichtet, die deutlich über eine halbschichtige Tätigkeit hinausgeht. Soweit das Oberlandesgericht ihr eine halbschichtige Tätigkeit als Archäologin zugemutet hatte, bleibt dies sogar hinter der Erwerbspflicht nach der Rechtsprechung des BGH zurück.

Ob die an MS erkrankte Klägerin aus gesundheitlichen Gründen erwerbsfähig ist oder ob sie einen Arbeitsplatz in ihrem erlernten Beruf als Archäologin finden kann, ist im Rahmen des Unterhaltsanspruchs wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes unerheblich, weil der Unterhaltsanspruch nach § 1615 l BGB ihre Lebensstellung nur wegen der notwendigen Kindesbetreuung sichern will. Einen Krankheitsunterhalt oder einen Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit, wie sie die §§ 1572 und 1573 BGB für den nachehelichen Unterhalt zusätzlich vorsehen, kennt § 1615 l BGB nicht. „

Fazit: Zukünftig wird der betreuende Elternteil, der über keine oder geringere Einkünfte als 770,00 EUR monatlich verfügt, den Mindestunterhalt vom Kindesvater verlangen können.

BGH, Urteil vom 16.12.2009- Az.: XII ZR 50/08

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