Steuerliche Behandlung von Scheingewinnen (Ambros, Phönix, Göttinger Gruppe , etc.)

I) Was ist das Schneeballsystem- und wie entstehen Scheingewinne?

Wie ein Schneeballsystem funktioniert lässt sich am einfachsten an dem vielzitierten und vom BFH letztlich entschiedenen Fall zweier Eheleute skizzieren: Sie beteiligten sich mit 110 000 DM an einer Gesellschaft die Börsentermingeschäfte vorgab und eine Beteiligung am Erfolg versprach, die für Anleger 70%, für die Gesellschaft 30% betragen sollte.
Tatsächlich wurden aber gar keine Börsengeschäfte getätigt. Das eigens von den Anlegern Eingezahlte wurde ihnen als Renditen wieder ausgezahlt. Innerhalb von fünf Jahren erzielte das Ehepaar Erträge aus insgesamt 1 404 284 DM. Faktisch ausbezahlt wurden dagegen nur 656 500 DM. Der Rest (747 784 DM) wurde den Klägern gutgeschrieben und von ihnen abermals als Anlagekapital zur Verfügung gestellt.
Genau dieser Differenzbetrag ist nichts als bloßer Scheingewinn- ein fiktiver Kapitalertrag der endlich verloren ist.
Scheinrenditen resultieren lediglich aus den Einzahlungen neuer Teilnehmer. Solange solche immer wieder einsteigen, funktioniert das System- sonst steigen die Initiatoren aus, und die Anleger verlieren ihr Geld.

II) Besteuerung der Fiktion

Der BFH hält daran fest, dass auch die Scheingewinne in dem Zeitpunkt, in dem sie gutgeschrieben werden, versteuert werden müssen. Denn er qualifiziert sie trotz ihrer für die Anleger fiktiven Art als Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs.1 Nr. 4 EStG, welche im Zeitpunkt der Gutschrift und Wiederanlage i.S.d.§ 11 EStG faktisch zugeflossen sind.
Davon betroffen waren vor Jahren viele Anleger der betrügerischen Firma Ambros S.A. (BFH-Urteile vom 22.7.1997, bestätigt mit BFH-Urteil vom 10.7.2001).

III) Einschränkung in der Rechtsprechung (Chance für die Anleger):

Mit einem aktuellen Urteil, BFH-Urteil vom 16.3.2010, schränkt das Gericht seine Rechtsprechung nun ein: Eine Besteuerung der Scheinrenditen wird nur dann gefordert, wenn der Betreiber des Systems im Zeitpunkt der Gutschrift zur Auszahlung bereit und in der Lage gewesen wäre.
Die Auszahlungsbereitschaft der Initiatoren zu prüfen ist also die Chance für die Anleger: an ihr fehlt es, wenn der Betreiber auf die konkrete Nachfrage des Anlegers eine Auszahlung ablehnt und stattdessen über andere Zahlungsmodalitäten verhandelt.
Und noch einen weiteren Aspekt entscheidet der BFH zu Gunsten der Anleger: Kann die Auszahlungsbereitschaft des Betreibers im Nachhinein festgestellt werden, gehen nicht behebbare Zweifel zu Lasten des Finanzamtes, weil es sich um ein „steuerbegründendes Sachverhaltselement“ handelt.

Es geht dem BFH dabei darum, abzugrenzen, ob den Anlegern i.S.d. § 20 EStG etwas „zugeflossen“ ist, oder nicht.
Mit der einfachen Gutschrift gelten Einnahmen als zugeflossen, wenn damit klar ist, dass der Betrag dem Begünstigten von nun an zur freien Verfügung steht. Er muss von da an allein in der Lage sein, den Leistungserfolg herbei zu führen. Entscheiden sich Anleger dafür, das Geld sofort wieder neu als Anlagekapital zur Verfügung zu stellen, kann man von einem Einnahmezufluss nur dann sprechen, wenn diese Entscheidung allein von den Steuerpflichtigen selbst getroffen wurde und allein in ihrem Interesse steht.
Wollten diese dagegen eher eine Auszahlung- und haben sie das mit entsprechender Nachfrage auch gegenüber den Schuldnern bekundet- ist ein solches Interesse zu verneinen, ebenso eine Steuerpflicht.
Für die Tatbestandsmäßigkeit des § 20 Abs.1 Nr. 4 EStG reicht es also, wenn der Unternehmer bei entsprechendem Verlangen des Anlegers zur Auszahlung der gutgeschriebenen "Renditen" fähig gewesen wäre – fehlt es jedoch an der Auszahlungsbereitschaft, entfällt auch eine Besteuerung.

IV) Reaktion der Verwaltung

Diese Art der Besteuerung muss vielen Anlegern trotzdem immer noch Bauchschmerzen bereiten:
Sie sind sowohl auf betrügerische Anlagesysteme hereingefallen und dann bedient sich auch noch der Fiskus und fordert Steuern auf die für sie nur fiktiven Gewinne.
Selbst das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 9.7.2009, 2 BvR 2525/08 dieser Art der Besteuerung seinen Segen erteilt – von der Rechtsprechung ist also keine Abkehr vom Grundsatz der Besteuerung zu erwarten.
Die obersten Finanzbehörden der Länder hingegen haben sich seit dem 6.5.2010 auf eine Kulanzregelung in Bezug auf Opfer von Schneeballsystemen geeinigt:
Wird der Anbieter insolvent (Phönix, Göttinger Gruppe), können betrogene Anleger im gleichen Jahr ihre bis dato angefallenen und steuerpflichtigen Scheinrenditen als Verluste geltend machen. Für stehengebliebene fiktive Gutschriften gilt, dass diese steuermindernd als negative Einnahmen zu berücksichtigen sind. Hier greift dann § 10 d) EStG.

Fühlen sie sich als Opfer betrügerischer Initiatoren solcher Schneeballsysteme? Um im Einzelfall abzuklären, welche ihnen gutgeschriebenen Beträge tatsächlich der Besteuerung unterliegen, raten wir ihnen, sich an einen Fachberater in unserer Kanzlei zu wenden.

Für die schriftliche Erstberatung, welche auch die Deckungsanfrage bei Ihrer Rechtsschutzversicherung umfasst, drucken Sie bitte einfach das Auftragsformular für geschädigte Kapitalanleger aus und senden es ausgefüllt, zusammen mit den Zeichnungsscheinen und den wesentlichen Unterlagen zu. Für die Erstberatung entsteht Ihnen eine Gebühr in Höhe von netto 80,- €. Gern können Sie sich auch unverbindlich per Email oder Telefon an uns wenden.

Ansprechpartner:
Rechtsanwalt Knud J. Steffan
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
JUSTUS Rechtsanwälte & Steuerberater
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