Pflichten im Rahmen des Winterdienstes im Bereich einer Haltestelle
Im vorliegenden Fall begehrte die Klägerin materiellen und immateriellen Schadensersatz aus einem Glatteisunfall im Bereich einer Bus- und Straßenbahnhaltestelle. Das OLG Brandenburg hat zwar am 30.09.2014 zum Aktenzeichen 2 U 7/14, dass zuvor zugunsten der Klägerin ergangen Teilurteil des Landgerichts Potsdam aufgehoben, jedoch wurde die Klage nicht abgewiesen, sondern die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Potsdam zurückzuverweisen.
So stellte das OLG Brandenburg unter anderem fest, dass eine Verletzung der Verkehrssicherungspflichten vorlag. Inhalt und Umfang der Räum- und Streupflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.
„Die Beklagte hat ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Denn sie hat die Gefahr winterlicher Glätte nicht in ausreichendem Maße beseitigt. Dabei führt § 49 a Abs. 3 BbgStrG – wonach die Gemeinden im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit die öffentlichen Straßen und Wege innerhalb der geschlossenen Ortslage winterdienstlich zu behandeln haben, soweit dies zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich ist – bzw. die Satzung der Beklagten nicht zu einer Ausweitung der nach allgemeinen Grundsätzen geltenden (Verkehrssicherungs-) Pflichten. Vielmehr besteht die Winterdienstpflicht nach allgemeinen Grundsätzen nur bei einer konkreten Gefahrenlage und nach den örtlichen Besonderheiten; nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs richten sich Inhalt und Umfang der winterlichen Räum- und Streupflicht unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherung nach den Umständen des Einzelfalles. Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie seine Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs. Die Räum- und Streupflicht besteht daher nicht uneingeschränkt, sondern vielmehr nur unter dem Vorbehalt des Zumutbaren, wobei es auch auf die Leistungsfähigkeit des Sicherungspflichtigen ankommt (BGHZ 112, 74, 75 f.; VersR 1995, 721). Denn grundsätzlich muss sich der Straßen-/Fußgängerverkehr auch im Winter den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen. Der Sicherungspflichtige hat aber durch Schneeräumen und Bestreuen mit abstumpfenden Mitteln die Gefahren, die infolge winterlicher Glätte für den Verkehrsteilnehmer bei zweckgerechter Wegebenutzung und trotz Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bestehen, im Rahmen und nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze zu beseitigen.
gesteigerte Sicherungspflicht gegen Glatteisunfall bei Haltestellen
Für Fußgänger müssen die Gehwege, soweit auf ihnen ein nicht unbedeutender Verkehr stattfindet, sowie die belebten, über die Fahrbahn führenden unentbehrlichen Fußgängerüberwege bestreut werden (BGH VersR 1995, 721, 722; NJW 2003, 3622 ff.). Insbesondere im Bereich von Haltestellen besteht hingegen eine gesteigerte Sicherungspflicht (vgl. BGH, Urteil vom 01.07.1993 – III ZR 88/92 -, Urteil vom 27.04.1987 – III ZR 123/86 -, juris).“
Winterdienst im Haltestellenbereich obliegt besonderen Anforderungen
„Bei der Unfallstelle handelt es sich um einen zentralen Haltepunkt in …, in dem starker Fußgängerverkehr herrscht. Denn er wird durch den Halt von Straßenbahnen und zahlreichen Buslinien von einer Vielzahl von Fußgängern benutzt, die aus- und einsteigen. Hierbei handelt es sich um einen besonders gefahrenträchtigen Ablauf. Insbesondere der aussteigende Fahrgast muss darauf vertrauen können, dass der Haltestellenbereich vor dem Ausstieg auch gefahrlos benutzt werden kann. Er hat kaum eine Möglichkeit, der Gefahr auszuweichen. Daraus folgt, dass der Bereich im Rahmen des Winterdienstes jedenfalls zur Tageszeit besonderen Anforderungen unterliegt. Insoweit genügt es nicht, lediglich dann, wenn allgemeine Glätte vorherrscht, den Haltestellenbereich zu beräumen und mit Streugut zu sichern. Vielmehr muss die Beklagte in angemessener Zeit prüfen, ob die von ihr aufgrund der Witterungsverhältnisse bereits eingeleiteten Maßnahmen noch immer vorhalten und das Streugut noch seine Wirkung entfaltet (vgl. BGH, Urteil vom 27.04.1987 – III ZR 123/86 -; Urteil vom 01.07.1993 – III ZR 88/92 -, juris).“
Justus rät:
Denken Sie unbedingt an die Sicherung der Beweise direkt bei einem Glatteisunfall. Es ist es ganz wichtig, Beweise sofort an der Unfallstelle zu sichern: Machen Sie Fotos von der Unfallstelle, der Unfallstelle und den weiteren wichtigen örtlichen Gegebenheiten. Auch die Daten von anderen Personen als Zeugen sind hilfreich, um gegebenenfalls Schadenersatz gegen die Kommune oder den privaten Eigentümer durchzusetzen. Da die Durchsetzung dieser Ansprüche meist recht schwierig ist, hilft oft nur der Gang zum Verkehrsanwalt.
Ansprechpartner:

Michael Kraft
Rechtsanwalt
E-Mail: Justus@kanzleimitte.deTelefon: 030-440 449 66
Telefax: 030-440 449 56
