Landgericht Tübingen verurteilt Bank wegen fehlender Aufklärung über Eigenhandelsmarge und unzureichender Aufklärung über Funktionsweise eines sog. Alpha-Express-Zertifikats
Lehman Brothers/ Citibank (Targobank)/ Dresdner Bank (Marke der Commerzbank)/ Postbank/ Deutsche Bank/ Alpha-Express-Zertifikate/ Bonus-Zertifikate
Mit Urteil vom 21. Mai 2010 (Az.: 2 O 317/09) hat das Landgericht Tübingen eine Bank wegen Falschberatung ihres Kunden zur Zahlung von Schadensersatz und Rücknahme der von der Bank empfohlenen Alpha-Express-Zertifikate verurteilt.
Aufklärungsbedürftige Eigenhandelsmarge („Kick-Back-Rechtsprechung“)
Auch das Landgericht Tübingen erkennt einen potentiellen Interessenkonflikt der Bank aufgrund der Erzielung einer Eigenhandelsmarge. Das Landgericht sah es als bewiesen an, dass die Bank ihrem Kunden bei der Anlageberatung verschwiegen hatte, mit dem Verkauf der von ihr selbst empfohlenen Zertifikate an den Kunden eine Handelsmarge erzielt zu haben. Dies stellt auch nach Auffassung des Landgerichts Tübingen einen aufklärungsbedürftigen potentiellen Interessenkonflikt dar. Der Anleger darf von seiner Bank eine objekte Beratung erwarten, die frei von Eigeninteressen ist. Wenn Eigeninteressen gegebenen sind, muss die Bank jedenfalls darauf hinweisen, damit der Kunde den ihm gegebenen Rat kritisch hinterfragen kann.
Alpha-Express-Zertifikate: Wette auf den relativen Kursverlauf des DivDAX im Vergleich zum DAX30
Zudem vertritt das Landgericht Tübingen eine Rechtsauffassung, die in zahlreichen Verfahren auch von der Kanzlei JUSTUS bzgl. sog. Alpha-Express-Zertifikate vertreten wird:
Mit Alpha Express Zertifikaten wetten Anleger auf den relativen Verlauf des sog. DivDax im Vergleich zum DAX30. Der DivDAX setzt sich aus den 15 dividenstärksten Titeln des DAX30 zusammen. Anders als die Bezeichnung verspricht, ist der DivDAX ein reiner Preisindex. Dem gegenüber bildet der deutsche Leitindex DAX30 als sog. Performance-Index neben den Aktienkursen auch den Wert von Dividendenausschüttungen an Anleger ab.
Privatanleger wurden im Rahmen von Bankberatungen auf diesen Umstand häufig nicht hingewiesen. Auch in den der Kanzlei JUSTUS bekannten Produktflyern finden sich regelmäßig keine Hinweise auf diesen Umstand.
Für eine aufgeklärte Anlageentscheidung über eine angenommene künftige Wertentwicklung des DivDAX im Vergleich zum DAX30 ist der Unterschied aus folgendem Grund wesentlich: Aufgrund des Vermögensabflusses in Form der Dividende sinkt der Aktienkurs des jeweiligen Unternehmens um den entsprechenden Betrag. Im DAX30 bleibt dies im Ergebnis ohne Auswirkung, da der Wert der Dividenenausschüttung dem Index wieder gutgeschrieben wird. Im DivDAX hingegen wird der durch die Divendenausschüttung verursachte Kursverlust nicht ausgeglichen. Ersichtlich stellt dies einen gewichtigen Faktor für die Annahme des künftigen relativen Kursverlaufs des DivDAX im Vergleich zum DAX30 dar.
Weitere Fallstricke, auch bei anderen sog. Bonus-Zertifikaten: „Compound Instruments“/ „Embedded Option“
In einer Vielzahl von Verfahren analysiert die Kanzlei JUSTUS eingehend die Mechanismen der häufig für Privatanleger zu komplexen Bonus-Zertifikate. Solche Zertifikate sind mit einer sog. Sicherheitsbarriere in Bezug auf einen bestimmten Basiswert ausgestattet. Besonders beliebt war die Verknüpfung mit dem DJ EuroStoxx 50. Wird die Sicherheitsbarriere aufgrund eines Rückganges des Index berührt oder durchbrochen, erhält der Anleger nicht mehr das eingesetzte Kapital zurück, sondern nur einen Betrag nach Maßgabe des zugrunde liegenden Basiswerts. Ausgangspunkt ist dabei immer ein Verlust des Anlegers, bzw. ein Gewinn der Emittentin.
Hinter dem Begriff „Sicherheitsbarriere“ verbirgt sich also alles andere als „Sicherheit“, nämlich ein Optionsrecht der Emittentin, deren Ausübung dem Anleger erhebliche Verluste einbrigen kann. Der Anleger ist – unwissentlich – der Stillhalter dieser Option. Deshalb heisst es in den Emissionsbedingungen von sog. Bonus-Zertifikaten regelmäßig, dass Anleger über hinreichende Kenntnisse der Funktionsweise und der Risiken von Optionsgeschäften verfügen sollten. In Beratungsgesprächen und Produktflyern ist hiervon hingegen keine Rede, so dass gute Erfolgsaussichten von Klagen gerade unerfahrener und durchschnittlicher Anleger bestehen.
Fehlende Absicherungsmöglichkeiten des Privatanlegers
Nur die wenigsten Privatanleger verfügen über ausreichende Kenntnisse für eine eigenverantwortliche Anlageentscheidung bei Optionsgeschäften. Selbst Bankberater sind häufig überfordert und empfehlen solche Zertifikate nur aufgrund von Vertriebszielen ihres Arbeitgebers.
Diejenigen, die die Funktionsweise von Optionsgeschäften kennen, werden allerdings erst recht keine Bonus-Zertifikate zeichnen. Denn bei Bonus-Zertifikaten entfallen die Absicherungsmöglichkeiten des herkömmlichen Optionshandels sowie eine marktgerechte Vergütung. Gerade der Stillhalter einer Put-(Verkaufs-)-Option benötigt dringend der Absicherung. Er vereinnahmt als maximalen Gewinn die vergleichsweise geringe Optionsprämie (bei einem Bonuszertifikat ist dies der Zinskupon jenseits des Marktzinses herkömmlicher Anleihen), sieht sich umgekehrt jedoch potentiell unbegrenzten Verlustmöglichkeiten gegenüber. Wer bspw. für 10,- € das Recht verkauft, eine bestimmte Aktie für 100 € zu verkaufen, muss diese Aktie auch dann für 100 € abnehmen, wenn der Kurs innerhalb der Laufzeit der Option auf 50 € oder gar auf 0 € zurück geht. Dem maximal möglichen Gewinn von 10,- € steht das Risiko eines maximalen Verlusts von € 100,- minus 10€ vereinnahmte Optionsprämie gegenüber.
So funktioniert auch der Mechanismus der sog. „Sicherheitsbarriere“ eines Bonus-Zertifikats. Bei der Durchbrechung einer „Sicherheitsbarriere“ von 50 Prozent bezogen auf den DJ EuroStoxx 50 etwa darf die Emittentin den Rückzahlungsanspruch des Anlegers in Höhe von 1000 € ablösen durch Andienung eines Indexzertifikats im Wert von 500€. Die Emittentin macht 500€ Gewinn, der Anleger erleidet einen Verlust in gleicher Höhe.
Schriftliche Erstberatung und Deckungsanfrage bei der Rechtsschutzversicherung:
Die Kanzlei Justus Rechtsanwälte & Steuerberater vertritt inzwischen über 500 Lehman Anleger und führt bundesweit Klagen gegen die beratenden Banken durch. Wir bieten allen Lehman Brother Anlegern eine schriftliche Erstberatung an, die eine Ersteinschätzung über das Kostenrisiko und die voraussichtlichen Erfolgsaussichten einer Zahlungsklage gibt.
Für die Erstberatung und Einleitung des Schlichtungsverfahrens bitte den Fragebogen Beratungspool Lehman Brothers ausdrucken und einsenden oder füllen Sie einfach unser Kontaktformular aus.
Ansprechpartner:
Knud J. Steffan
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
JUSTUS Rechtsanwälte & Steuerberater
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