Wissenswertes zum Thema Gratifikationen – ein Überblick
1. Was sind Gratifikationen?
Eine Gratifikation ist eine Sondervergütung, die dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber über den Arbeitslohn hinaus, als Anerkennung für geleistete Dienste oder Betriebstreue gewährt wird, daneben kann auch ein künftiger Leistungsanreiz gewollt sein. Typische Beispiele sind Weihnachts- und Urlaubsgeld, Prämien sowie Jubiläumszuwendungen. Gratifikationen können einzelvertraglich vereinbart, Gegenstand eines Tarifvertrages oder Betriebsvereinbarung sein oder können sich aus betrieblicher Übung ergeben.
2. Anspruchsgrundlage:
Ein Anspruch auf Gratifikationszahlungen kann sich aus Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, Einzelarbeitsvertrag oder betrieblicher Übung ergeben. Die Arbeitsgerichte erkennen einen Anspruch des Arbeitnehmers kraft betrieblicher Übung an, wenn ein Arbeitgeber dreimal hintereinander vorbebehaltlos eine Gratifikation zahlt.
Diese wird auch nicht dadurch aufgehoben, dass der Arbeitgeber nach jahrelangen vorbehaltlosen Weihnachtsgeldzahlungen, erklärt, die folgenden Weihnachtsgeldzahlungen seien eine freiwillige Leistung und begründen keinen Rechtsanspruch, auch wenn der Arbeitnehmer der neuen Handhabung über drei Jahre nicht widerspricht (BAG AZ: 10 AZR 281/08 vom 18.3.2009). Werden derartige Gratifikationen geleistet, ohne bei der Zahlung deutlich eine Bindung für die Zukunft auszuschließen, kann der Arbeitnehmer aus diesem regelmäßigen Verhalten grundsätzlich schließen, der Arbeitgeber wolle sich dauerhaft verpflichten, hindert auch keine unklare oder intransparente allgemeine Klausel im Arbeitsvertrag das Entstehen eines zukünftigen Rechtsanspruches. (BAG AZ: 10 AZR 671/09 vom 8. Dezember 2010)
Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber seinen Bindungswillen deutlich ausgeschlossen hat, weshalb Sonderzahlungen oftmals mit einer Rückzahlungsklausel, einem Freiwilligkeits- und/oder Widerrufsvorbehalt verbunden werden, um eine betriebliche Übung auszuschließen.
3. Höhe der Gratifikation:
Ist die Höhe der Gratifikation nicht vertraglich geregelt, legt der Arbeitgeber die Höhe nach freiem Ermessen fest. Dabei ist innerbetrieblich an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden, eine unterschiedliche Behandlung danach nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässig (Abstufung wegen Betriebszugehörigkeit, Familienstand oder Kinderzahl)
4. Kürzung der Gratifikation:
Bei vertraglichen Kürzungsmöglichkeiten aufgrund von Fehltagen (Krankheit, Elternzeit oder unentschuldigte Fehltage) darf eine Jahressonderzahlung für Zeiten ohne Arbeitsleistung im Bezugszeitraum anteilig gekürzt werden. Anderenfalls ist nach der Art der Gratifikation zu unterscheiden. Bei ausschließlichem Entgeltcharakter sind anteilige Kürzungen zulässig, bei
Honorierung der Betriebstreue scheidet eine Kürzung bei bestehendem Arbeitsverhältnis im Bezugszeitraum generell aus. Werden einzelne Arbeitnehmergruppen sachfremd und willkürlich benachteiligt oder zwingende Arbeitnehmerschutzrechte beeinträchtigt, sind Kürzungen unzulässig (z.B. Weihnachtsgeldkürzung wegen mutterschutzbedingter Fehlzeiten). Den Umfang krankheitsbedingter Kürzungen setzt § 4a Entgeltfortzahlungs-gesetz (EntgeltFG) fest, der für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, nicht überschreiten darf. Bei einem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag oder Ablauf des Kalenderjahres, ergeben sich anteilige Gratifikationsleistungen entweder aus Vereinbarung oder bestehen jedenfalls auch ohne Vereinbarung, wenn die Sonderzahlung als Honorierung geleisteter Dienste gedacht ist, da die Leistung zumindest teilweise erbracht wurde. Bei Honorierung der Betriebstreue besteht wegen des Fehlens ebensolcher gerade
kein anteiliger Zahlungsanspruch.
5. Rückforderung der Gratifikation:
Ohne eine Rückzahlungsvereinbarung hat der Arbeitgeber keinen Anspruch auf Gratifikationsrückzahlung. Das Bundesarbeitsgericht hat z.B. für einzelvertraglich vereinbarte Rückzahlungsklauseln bei Weihnachtsgratifikationen festsetzt, dass diese bis zu 100 Euro unzulässig sind; über 100 € aber unter einem Monatsgehalt, für den Fall getroffen werden können, dass der Arbeitnehmer vor dem 31. März des Folgejahres ausscheidet; in Höhe von mindestens einem Monatsgehalt mit Bindungen über den 31. März des Folgejahres hinaus je nach Kündigungsfrist zulässig sind: bei Kündigungsfrist zum Quartalsende kann der Arbeitnehmer bis zum 30. Juni gebunden werden, bei gesetzlicher Kündigungsfrist bis zum 30. April sind Rückzahlungsklauseln über den 30. Juni hinaus grundsätzlich unzulässig.
JUSTUS rät:
Sind Sie nicht sicher, ob oder in welcher Höhe Ihnen eine Gratifikationszahlung zusteht, holen Sie sich rechtzeitig Rat bei einem spezialisierten Rechtsanwalt.
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