OLG München: Steuervorteile bei Rückabwicklung nicht anrechenbar; Verjährung Propekthaftung

OLG München: nicht zwingend Nachweis von Alternativanlage für Schadensersatz bei Prospekthaftung notwendig
OLG München, Urteil vom 28. 10. 2011, Az. 5 U 5544/10

Das Oberlandesgericht München hat dem Anleger eines geschlossenen Immobilienfonds Recht gegeben, der von dem Fonds Schadensersatz verlangt hatte, weil er sich durch dessen Anlageprospekt getäuscht sah. Dabei setzte das Gericht nicht nur die bisherige Linie des Bundesgerichtshofes fort, wonach bei der Rückabwicklung einer Kapitalanlage Steuervorteile des Anlegers aufgrund der Beteiligung unter der Voraussetzung nicht anzurechnen sind, wenn die Rückabwicklung an sich wiederum besteuert wird und die erlangten Steuervorteile dadurch verloren gehen; es spricht dem Kläger auch einen Anspruch auf entgangenen Gewinn zu, obwohl er nicht konkret darlegen kann, was für eine Anlage er alternativ gewählt hätte.
In der Sache war der Kläger dem beklagten Fonds, einer Kommanditgesellschaft, mit Einlagen von insgesamt 150.000 DM beigetreten; er macht nunmehr Prospektfehler geltend, die vor allem die Darstellung der Berechnung der Kaufpreise der Immobilien, deren Erwerb Zweck des Fonds war, betreffen. Als Schadensersatz macht er neben der Rückzahlung seiner Einlage auch einen entgangenen Gewinn in Höhe von über als 20.000 € geltend.
In der Sache lag nach Ansicht des Gerichts ein Prospektfehler vor; insbesondere, da der Prospekt die einzige Unterrichtungsmöglichkeit des Beitrittsinteressenten sei, müssen die dortigen Angaben sachlich richtig und vollständig sowie hinreichend eindeutig sein. Nach diesen Grundsätzen sei der Prospekt fehlerhaft, da er in einem wesentlichen Punkt unklar und irreführend sei und zumindest dem durchschnittlich informierten Anleger, auf dessen Sicht es ankomme, kein klares Bild vermittle. Diese Pflichtverletzung habe der Fonds auch zu vertreten; außerdem sei der Prospektfehler ursächlich für die Anlageentscheidung des Klägers gewesen, ein Schadensersatzanspruch liegt also dem Grunde nach vor.
Daher ist dem Kläger der aus der Pflichtverletzung entstandene Schaden zu ersetzen. Dabei handelt es sich zunächst um den Vermögensschaden des Anlegers, der dadurch entstanden ist, dass die Anlage den gezahlten Preis nicht wert ist. Folge dieses Schadens ist ein Anspruch auf Rückabwicklung. Dabei seien Steuervorteile, die der Kläger während seiner Beteiligung erhalten hat, nicht schadensmindernd anzurechnen, weil die Rückabwicklung selbst als steuerpflichtige Rückerstattung von Werbungskosten einzuschätzen sei, wodurch dem Anleger die erlangten Steuervorteile wieder genommen würden. Daran ändert nach Auffassung des Gerichts auch nichts, dass der Kläger nicht direkt selbst Immobilien erworben habe, sondern lediglich mittelbar über den Fonds am Erwerb beteiligt gewesen ist; der Kläger müsse die Schadensersatzsumme dennoch versteuern.
Geltend gemacht werden könne darüber hinaus jedoch auch ein entgangener Gewinn, da das investierte Geld nicht anderweitig angelegt werden konnte und ein solcher auch auf der Pflichtverletzung beruhe. Eine bestimmte Alternative zur Geldanlage muss der Kläger dazu nicht anführen: nach Auffassung des Gerichts könne von ihm nicht erwartet werden, nach Jahren noch im Einzelnen aufzuführen, was er für eine andere Geldanlage gewählt hätte. Vielmehr bleibe dem Gericht die Möglichkeit, den Schaden zu schätzen und einen gewissen Betrag als entgangenen Gewinn anzusetzen.

Interessant ist, wie sich das Gericht mit der Verjährung auseinandersetzt. Im Ergebnis hält es den Anspruch für nicht verjährt. Die Verjährungsfrist beträgt grundsätzlich drei Jahre ab Ende des Jahres, in dem der Anspruchsinhaber Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen, hier also hauptsächlich den Prospektfehlern, erlangt. Beweispflichtig für die Kenntnis ist der Schuldner, hier der Beklagte. Vorliegend lässt sich nach Ansicht der Gerichts weder eine Kenntnis des Klägers vor Akteneinsicht durch dessen Anwalt erkennen noch ist von grob fahrlässiger Unkenntnis auszugehen; bemerkenswert erscheint vor allem letzteres, das Gericht geht davon aus, dass es sich bei den Prospektfehlern um keine ganz nahe liegende Vermutungen handelte, die jedem hätte einleuchten müssen. Es treffe den Kläger keine Pflicht, weitere Nachforschungen zu betreiben. Insgesamt werden an eine grob fahrlässige Unkenntnis also relativ hohe Hürden gestellt.
Alles in allem ist das Urteil des Oberlandesgerichts sehr zu begrüßen; es setzt sich vorbildlich mit dem Prospekthaftungsanspruch des Anlegers auseinander und zeigt auf, wie weit die Inanspruchnahme eines Fonds gehen kann.
 

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