OLG Frankfurt/Main: Anleger sind über Schließungsrisiko eines offenen Immobilienfonds aufzuklären
Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main (Urteil vom 13.2.2013, 9 U 131/11) hat zu Gunsten von Anlegern entschieden, dass bei offenen Immobilienfonds grundsätzlich auch darüber aufzuklären ist, dass ein Schließungsrisiko besteht, selbst wenn dieses Risiko zum Zeitpunkt der Anlage nur theoretischer Natur ist. Insoweit ist das OLG anderer Auffassung als das OLG Dresden, das eine derartige Aufklärungspflicht in einem früheren Urteil verneint hatte.
Grundsätzlich können Anteile an einem offenen Immobilienfonds, anders als bei geschlossenen Fondstypen, jederzeit an die Fondsgesellschaft zurückgegeben werden. Verfügt der Fonds indes nicht mehr über genügend Mittel, sodass beispielsweise die Immobilien im Portfolio unter Wert veräußert werden müssten, kann die Rücknahme der Anteile, wenn auch zeitweilig, ausgesetzt werden. Man spricht in diesen Fällen auch von einer Schließung des Fonds.
Das OLG Frankfurt hält indes hält eine mögliche zeitweilige Aussetzung der Rücknahme für einen im Hinblick auf die Anlageentscheidung wesentlichen Gesichtspunkt. Dafür spreche bereits, dass die beklagte Bank selbst im konkreten Fall in einer Broschüre auf das Risiko einer zeitweiligen Aussetzung der Rücknahme hinweist. Außerdem begründe die Möglichkeit der Rücknahmeaussetzung ein Liquiditätsrisiko, was eine Aufklärungspflicht inhaltlich rechtfertige. Denn bei einer Aussetzung der Rücknahme kann der Anleger seine Anteile allenfalls auf einem Zweitmarkt, etwa einer Börse, veräußern, was in der Regel mit Abschlägen gegenüber einer Rückgabe verbunden ist, da das Faktum der Aussetzung beim Kurswert berücksichtigt wird. Gegen diese Annahme spricht nach Ansicht des Gerichts auch nicht, dass nach Auffassung der Beklagten bis zum Jahr 2008, in welchem das Beratungsgespräch stattfand, die Aussetzung der Rücknahme bei offenen Immobilienfonds eine nur untergeordnete Rolle spielte. Denn es handele sich bei der Aussetzungsmöglichkeit jedenfalls angesichts dreier Fälle in den Jahren 2005/2006 nicht nur um „graue Theorie“, selbst wenn derartige Vorfälle weder auf ein strukturelles Problem noch auf eine aktuelle Krise des konkreten Fondsmodells hinweisen sollten. Schließlich stellt das Gericht fest, dass die Aufklärungspflicht gerade wegen des Liquiditätsrisikos eines offenen Immobilienfons immer bestehe, unabhängig vom tatsächlichen Auftreten dieses Risikos in der relevanten Anlageklasse und ohne dass sich bereits Anzeichen für eine Aussetzung verdichtet hätten.
Das OLG bemerkt darüber hinaus, dass die Übergabe der oben angesprochenen Broschüre im konkreten Fall nicht geeignet war, dieser Aufklärungspflicht nachzukommen. Denn zum einen könne die Übergabe einer über 100seitigen Broschüre ohne expliziten Hinweis auf die im konkreten Fall relevanten Stellen nicht genügen, um Defizite im Aufklärungsgespräch zu beseitigen, zum anderen sei ein solches Vorgehen erst recht nicht zur Erfüllung der Aufklärungspflicht geeignet, wenn die Übergabe lange Zeit vor dem Beratungsgespräch und ohne konkreten Zusammenhang mit der Anlageentscheidung stattfinde.
Die Feststellungen des OLG erweitern die Aufklärungspflichten bei offenen Immobilienfonds um einen weiteren Punkt und bringen bei wichtigen Fragen zu Gunsten des Anlegers Klarheit. Anleger sollten daher mit professioneller Hilfe prüfen, ob sie bei ihrer Anlageentscheidung auch in diesem Bereich ausreichend aufgeklärt wurden.