BGH zum Widerspruchsrecht des Versicherungsnehmers

BGH legt die Frage, ob das Widerspruchsrecht des Versicherungsnehmers spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie erlischt, dem EuGH vor

Pressemitteilung: Nr. 042/2012
Pressestelle des Bundesgerichtshofs

IV ZR 76/11 – Beschluss vom 28. März 2012
Landgericht Stuttgart – Urteil vom 13. Juli 2010 – 22 O 587/09
Oberlandesgericht Stuttgart – Urteil vom 31. März 2011 – 7 U 147/10

Vorlage an den EuGH zur Vereinbarkeit der Vorschrift des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. mit der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung/EWG

Der klagende Versicherungsnehmer begehrt Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge aus einer Rentenversicherung nach einem Widerspruch gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation erhielt der Kläger mit Übersendung des Versicherungsscheins. Dabei wurde er nicht in drucktechnisch hervorgehobener Form über sein Widerspruchsrecht belehrt. Den Widerspruch erklärte der Kläger erst nach Ablauf der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. festgelegten Jahresfrist. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen, weil der Widerspruch gegen das Zustandekommen des Vertrages gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. verfristet war.

Der unter anderem für das Versicherungsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. März 2012 beschlossen, dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung die Frage vorzulegen, ob Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung unter Berücksichtigung des Art. 31 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung wie in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. entgegensteht, nach der ein Rücktritts- oder Widerspruchsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie erlischt, selbst wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt oder Widerspruch belehrt worden ist.

Vergleichbare Verfahren wurden im Hinblick auf die Vorlage analog § 148 ZPO ausgesetzt.

Die maßgeblichen Normen lauten wie folgt:

Versicherungsvertragsgesetz in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Juli 1994 (Drittes Durchführungsgesetz/EWG zum VAG)

(1) Hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes unterlassen, so gilt der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterlagen schriftlich widerspricht. …

(2) Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist. Der Nachweis über den Zugang der Unterlagen obliegt dem Versicherer. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs. Abweichend von Satz 1 erlischt das Recht zum Widerspruch jedoch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie.

Zweite Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG

Artikel 15

(1) Jeder Mitgliedstaat schreibt vor, dass der Versicherungsnehmer eines individuellen Lebensversicherungsvertrags, der in einem der in Titel III genannten Fälle geschlossen wird, von dem Zeitpunkt an, zu dem der Versicherungsnehmer davon in Kenntnis gesetzt wird, dass der Vertrag geschlossen ist, über eine Frist verfügt, die zwischen 14 und 30 Tagen betragen kann, um von dem Vertrag zurückzutreten.

Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung)

Artikel 31

(1) Vor Abschluss des Versicherungsvertrags sind dem Versicherungsnehmer mindestens die in Anhang II Buchstabe A aufgeführten Angaben mitzuteilen.

….

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 29.03.2012

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Risikolebensversicherung:
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In seiner Entscheidung vom 19.12.2013 hat der EuGH festgestellt, dass die Begrenzung dieses Widerspruchsrechts auf ein Jahr seit Zahlung der ersten Prämie durch den deutschen Gesetzgeber gegen europäisches Gemeinschaftsrecht verstößt. Damit kann der Versicherungsnehmer nunmehr unbegrenzt den Versicherungsvertrag widerrufen wenn er nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt wurde.

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