Beweislast für die Kausalität in Kapitalanlagefällen
BGH , Urteil vom 8.05.2012, XI ZR 262/10
§§ 252, S.2, 280 I BGB; 286 I1, 287 I, 445 ZPO
Leitsätze und Themenkreise:
1. Derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, ist beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, der Geschädigte den Rat oder Hinweis also unbeachtet gelassen hätte. (Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens, Anm. des Verfassers)
2. Diese Beweislastumkehr greift bereits bei feststehender Aufklärungspflichtverletzung ein. Es kommt bei Kapitalanlagefällen nicht darauf an, ob ein Kapitalanleger bei gehöriger Aufklärung vernünftigerweise nur eine Handlungsalternative gehabt hätte, er sich also nicht in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte. Das Abstellen auf das Fehlen eines Entscheidungskonflikts ist mit dem Schutzzweck der Beweislastumkehr nicht zu vereinbaren.
3. Zur Pflicht des Tatgerichts, den von der Beklagten benannten Kläger als Partei zu der Behauptung zu vernehmen, der Kläger hätte die Anlage auch bei Kenntnis von Rückvergütungen erworben.
4. Zur Würdigung von Hilfstatsachen, die den Schluss darauf zulassen, der Anleger hätte die empfohlene Kapitalanlage auch bei Kenntnis von Rückvergütungen erworben.
5. Zur Schätzung des entgangenen Gewinns, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit einem anderen Anlagegeschäft erzielt worden wäre.
Der Bundesgerichthof und seine trotzigen Kinder:
(Anmerkung Knud J. Steffan)
Wieder mal hat der Bundesgerichtshof, als oberstes deutsches Zivilgericht die wohl systemimmanente Fehlinterpretation seiner Rechtsprechung zu Verjährungs- und Kausalitätsfragen im Kapitalanlagerecht durch einige Amts-, Land-, und Oberlandesgerichte korrigieren müssen.
Es zeigt sich leider, dass die „Instanzen“, auch nach klaren Grundsatzentscheidungen des BGH zu Verjährungsfragen (Kein Beginn der kenntnisabhängigen Verjähren mit Zugang des Anlageprospekts) oder Kausalitätsfragen (Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens) im Kapitalanlagerecht, wieder – fleißig unterstützt von gut bezahlten Bankenanwälten – nach neuen, oft lebensfremden Argumenten suchen, um schließlich doch zu ihrem ursprünglichen ökonomischeren Rechtsergebnis zu gelangen. Nämlich der schnellen Klageabweisung der oft komplexen Kapitalanlagestreitigkeiten zu Lasten der Verbraucher und Kleinsparer.
Denn was gibt es nach Scheitern der Vergleichsbemühungen des geplagten Richters Schöneres, als seine Entscheidungsgründe z.B. mit dem Satz zu beginnen: „Es kann dahinstehen ob …, denn die Ansprüche des Klägers sind verjährt.“