Arbeitsrecht Berlin: Bereitschaftsdienste und wöchentliche Höchstarbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz

1.                  Bereitschaftsdienst:

Bereitschaftsdienst liegt vor, wenn der Arbeitnehmer sich außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebes aufhalten muss, um bei bedarf seine volle Arbeitstätigkeit unverzüglich aufzunehmen (BAG NZA 1991, 516). Der Bereitschaftsdienst zählt nach Rechtsprechung des EuGH dann zur Arbeitszeit, wenn er eine persönliche Anwesenheitspflicht am Arbeitsplatz erfordert (EuGH DB 2001, 818, zum Bereitschaftsdienst von Ärzten im Krankenhaus).

2.                  Rufbereitschaft:

Rufbereitschaft liegt vor, wenn der Arbeitnehmer verpflichtet ist, sich in der eigenen Wohnung oder einem anderen, dem Arbeitgeber anzuzeigenden Ort aufzuhalten, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen ( BAG BB 1987, 478 ).

3.                  Gesetzliche Regelung:

Bereitschaftsdienst ist Arbeitszeit.

Gemäß § 2 ArbZG ist Arbeitszeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Pausen. Das Arbeitszeitgesetz beruht auf der Umsetzung der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie.

Nach §  3 Satz 1 ArbZG beträgt die werktägliche Arbeitszeit maximal acht Stunden; sie kann nach Satz 2 auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.

Innerhalb dieses Zeitraums müssen die werktäglich über acht Stunden geleisteten Arbeitsstunden ausgeglichen werden. Wie hierbei Urlaubs-, Krankheits- und Feiertage zu behandeln sind, lässt sich dem Wortlaut des Gesetzes nicht entnehmen und ist deshalb durch Auslegung zu ermitteln. Nach herrschender Auffassung ist es ausgeschlossen, Urlaubstage als Ausgleichstage heranzuziehen, auch wenn urlaubsrechtliche und arbeitszeitrechtliche Regelungen dem Gesundheitsschutz dienen (vgl. Schliemann, Arbeitszeitgesetz, Kommentar, Stand April 2004, §  3 ArbZG Rdnr. 83 f.). Entsprechendes gilt für Krankheitstage.

Gemäß des zum 01.01.2004 geänderten § 7 Abs. 2a ArbZG ist die Überschreitung der werktäglichen Arbeitszeit über acht Stunden ohne Ausgleich zulässig, wenn die Arbeitszeit in erheblichem Umfang aus Bereitschaftsdienst besteht, dies in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebsvereinbarung so vorgesehen ist und sichergestellt ist, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet ist.

Arbeitszeit besteht zu einem erheblichen Umfang aus Bereitschaftsdienst, wenn dieser ca. 25-30 % der Gesamtarbeitszeit ausmacht.

4.                  Wöchentliche Höchstarbeitszeit:

Soweit Ärzte oder Pflegedienstberufe in einer nicht tarifgebundenen Klinik länger als 48 Stunden pro Woche oder 60 Stunden ohne nachgewiesenen Ausgleich arbeiten, ist dies mit dem derzeit geltenden Arbeitszeitgesetz nicht vereinbar. Die Verlängerung ist nur möglich, wenn der Arbeitnehmer ihr schriftlich zustimmt, § 7 Abs. 7 ArbZG.

Soweit der Arbeitgeber (Klinikleitung) den Bereitschaftsdienst nur zu einem gewissen Teil ( z.B. 60 % ) als Arbeitszeit anrechnet oder anrechnen will, so ist dies ebenfalls rechtwidrig.

Dabei sind auch die praktizierten 24-Stunden-Schichten, also 8 Stunden Stationsarbeit plus 16 Stunden Bereitschaft arbeitszeitrechtlich bedenklich, da sie voll als Arbeitszeit anzusetzen sind und gegen § 3 Satz 1 ArbZG verstoßen. Arbeitsbereitschaft ist als Arbeitszeit zu werten, da vorgegebene Pausen, in denen der Arzt den Betrieb verlassen könnte, nicht gewährt werden.

Der Arzt oder die Ärztin, die Belegschaft oder der Betriebsrat können von dem Arbeitgeber verlangen, dass dieser bei der Dienstplangestaltung die gesetzlichen Vorgaben berücksichtigt und den Arbeitnehmer nur innerhalb des arbeitszeitrechtlich zulässigen Rahmens einsetzt.

5.                  Rechte und Pflichten des Betriebsrates:

Beabsichtigt der Arbeitgeber Bereitschaftsdienste einzuführen oder zu ändern, hat er nach deutschem Recht den Betriebsrat darüber zu unterrichten und sich mit ihm über die Auswirkungen auf die Arbeitnehmer zu beraten. Der Betriebsrat hat darüber zu wachen, dass die zum Schutz der Arbeitnehmer geltenden Rechtsvorschriften beachtet und eingehalten werden.

Darüber hinaus unterliegen betriebliche Regelungen zu Bereitschaftsdiensten der Mitbestimmung des Betriebsrates, soweit sie Fragen der Ordnung im Betrieb, den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit und die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage oder eine vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit betreffen.

Zur Erfüllung dieser Aufgaben sollte der der Betriebsrat beim Arbeitgeber die Erteilung der Genehmigung zur Hinzuziehung eines sachverständigen Rechtsanwaltes gemäß § 80 Abs. 3 BetrVG beantragen.

Die Hinzuziehung eines Sachverständigen ist erforderlich, soweit der Betriebsrat angesichts der Schwierigkeit der Rechtsfragen die in seine Zuständigkeit fallende Aufgabe ohne diese nicht ordnungsgemäß wahrnehmen kann. Wird die vorherige Zustimmung durch den Arbeitgeber verweigert, kann der Betriebsrat auch ohne Zustimmung einen Sachverständigen hinzuziehen, da die verweigerte Zustimmung durch Antrag bei Arbeitsgericht nachträglich ersetzt wird; vgl. Däubler/Kittner/Klebe, Kommentar BetrVG § 80 Rdn. 65).

Werden mit dem Betriebsrat besondere Vereinbarungen über eine Verlängerung der Arbeitszeitgrenzen getroffen, so bedarf dies gemäß § 7 Abs. 2a ArbZG der schriftlichen Einwilligung des Betroffenen, also des Arbeitnehmers.

6.                  Vergütung der Bereitschaftsdienste:

Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG 28.01.2004 – 5 AZR 530/02) ist es zulässig, die während eines Bereitschaftsdienstes geleistete Arbeitszeit geringer zu vergüten. In der Urteilsbegründung heißt es, dass der Zweck der europäischen Arbeitszeitlinie sich auf den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer und nicht auf die Vergütung beziehe. In dem zu entscheidenden Sachverhalt hatte eine Klinik den Ärzten für die Durchführung des Bereitschaftsdienstes ca. ein Drittel weniger Gehalt als für die Arbeit während der regulären Arbeitszeit gezahlt. Nach der Ansicht der Richter ist dies zulässig.

Nach einem Vorschlag des Marburger Bundes der sich in einigen Tarifverträgen wieder findet, werden Bereitschaftsdienste hinsichtlich der Vergütung in verschiedene Stufen eingeteilt. Hiernach soll sich die Höhe der Vergütung ( z.B. 70 % der Arbeitszeitvergütung ) nach dem Anteil der Einsatzzeit während des Bereitschaftsdienstes richten.
 
Ansprechpartner und Autor:

Knud Steffan
Rechtsanwalt

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