Verjährungshemmung: Anlageberatung ist einheitlicher Lebensvorgang

Unser Leitsatz:
Für die Hemmung der Verjährung stellen sich sämtliche Beratungspflichtverletzungen als ein einheitlicher Lebenssachverhalt dar, so dass sich der Umfang der Verjährungshemmung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB auf alle Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen bezieht, unabhängig davon, ob sie auch vorgetragen sind.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte im Januar 2003 infolge einer Beratung durch die beklagte Bank in einen Film-Fonds investiert. Die Beklagte hatte allerdings nicht darauf hingewiesen, dass bereits zum Beratungszeitpunkt bei ihrer Produktionspartnerin der Vorwurf betrügerischer Überhöhung von Produktionskosten im Raum stand und in den USA eine Schadensersatzklage gegen sie in einer Größenordnung von 75 Mio. US-$ erhoben und zugelassen worden war.
Die Klägerin behauptete, die fehlerhafte Beratung sei kausal für ihre Anlageentscheidung gewesen. Denn sie hätte bei Wissen um die Dubiosität der Geschäftspartner der Beklagten nicht in den Fonds investiert. Die Beklagte vertrat die Auffassung, dass hinsichtlich des erst mit Schriftsatz vom 29.5.2013 vorgebrachten Beratungsfehlers die Verjährung nicht rechtzeitig gehemmt worden sei.

Das LG wies die Klage ab. Es war der Ansicht, etwaige Beratungsmängel betreffend die Seriosität und Liquidität der Produktionsfirma seien bereits verjährt. Eine wirksame Hemmung der Verjährung setze für jede einzelne Pflichtverletzung die Individualisierung des konkret geltend gemachten Aufklärungsmangels voraus. Ausgehend von einem Erwerb der Anlage im Januar 2003 sei die zehnjährige absolute Verjährung spätestens im Februar 2013 ungehemmt abgelaufen.

Auf die Berufung der Klägerin hob das OLG das Urteil auf und gab der Klage auf Feststellung der Schadensersatzpflicht aus der Beteiligung statt. Allerdings wurde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revision zum BGH zugelassen.

Die Gründe:
Ein Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1 BGB ist gegeben.

Die Beklagte hat im Zusammenhang mit der Produktionspartnerin die gebotene Aufklärung unterlassen, indem sie nicht darauf hingewiesen hatte, dass bereits zum Beratungszeitpunkt bei dieser der Vorwurf betrügerischer Überhöhung von Produktionskosten im Raum stand und in den USA eine Schadensersatzklage gegen sie in einer Größenordnung von 75 Mio. US-$ erhoben und zugelassen worden war. Die beratende Bank ist zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet. Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen dabei von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und die Entwicklung des Kapitalmarktes, sowie die speziellen Risiken, die sich aus den Besonderheiten des Anlageobjekts ergeben.

In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Dass eine Schadensersatzklage über immerhin 75 Mio. US-$ im Erfolgsfall eine erhebliche Gefährdung für die Summe aller Mindestgarantien darstellen konnte, verstand sich von selbst. Im Übrigen war auch zu berücksichtigen, dass der erhobene Vorwurf, nämlich das betrügerische Aufblähen von Produktionskostenbudgets, den Kern der Tätigkeit der Produktionspartnerin bzw. genau den Aufgabenbereich betraf, mit dem sie als Produktionspartner auch im vorliegenden Fondskonzept betraut worden war. Dieser Umstand war aus Sicht des vernünftigen Anlegers geeignet, die Vertrauenswürdigkeit der Fondsverantwortlichen bzw. deren Zuverlässigkeit und Seriosität in Frage zu stellen.

Ein diesbezüglicher Hinweis war der Beklagten zum Beratungszeitpunkt auch möglich. Für die Frage der Aufklärungsbedürftigkeit kam es nicht entscheidend darauf an, ob zum Zeitpunkt der erwähnten Pressemitteilungen eine Verurteilung absehbar oder wahrscheinlich war. Allein der Umstand, dass die Klage auch aus damaliger Sicht im Erfolgsfall erhebliche Auswirkungen auf die Bonität eines der entscheidenden Produktionspartner, dessen Zahlungsfähigkeit und die Einhaltung der Einmalzahlung hätte haben können, reichte aus, um ein erhebliches Risiko für die Anleger und damit eine Aufklärungsbedürftigkeit hierüber zu bejahen.

Der hier angenommene Pflichtverstoß war entgegen der Auffassung des LG nicht wegen Ablaufs der absoluten kenntnisunabhängigen Verjährungsfrist gem. § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB verjährt. Im Schadensersatzprozess gegen eine Bank wegen fehlerhafter Anlageberatung erstreckt sich der Umfang der Verjährungshemmung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB auf alle Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen unabhängig davon, ob sie auch vorgetragen sind. Denn bei natürlicher Betrachtungsweise stellt sich eine Anlageberatung als einheitlicher Lebensvorgang dar, der nicht in einzelne Aufklärungs- und Beratungspflichten aufgespalten werden kann.

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Verjährung im Bank- und Kapitalmarktrecht


I. Absolute Verjährung von Ansprüchen:
10 Jahre nach Zeichnung ist Schluss, § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB


Jeder, wirklich jeder Gesellschafter/Anleger sollte die Verjährungsfristen von Schadenersatzansprüchen im Auge behalten.
Taggenau 10 Jahre nach Zeichnung bzw. Beitritt zur Gesellschaft verjähren sämtliche Schadenersatzansprüche, die ein Gesellschafter z.B. aus Falschberatung gegen Berater, Treuhänder oder Gründungsgesellschafter zustehen können.
Dies unabhängig von der Kenntnis des Anlegers/Gesellschafters.
Da der Schadenersatz durch Rückabwicklung der Gesellschaftsbeteiligung oft der einzige Weg ist, keine erheblichen Verluste zu erleiden, sollte jeder Anleger seine Kapitalanlagen vor Ablauf dieser Frist durch einen Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht prüfen lassen.
Meist erhalten nämlich die Anleger erst kurz nach Ablauf dieser Frist die verheerende Nachricht durch Berater oder Kapitalanlagegesellschaft, dass sämtliche Einlagen durch Verluste der Gesellschaft aufgezehrt sind und/oder vereinbarte Auszahlungen nicht möglich sind. 

Gerade bei langfristigen Anlagen wie Schiffsfonds, Medienfonds, Immobilienfonds, Gesellschaftsbeteiligungen, Zertifikate, etc. müssen sie daher vorher handeln.

Prüfung und Schlichtungsverfahren durch Fachanwalt:
Wir bieten ihnen eine schnelle Prüfung und ggf. die rechtzeitige Verjährungshemmung durch ein kostengünstigeres Schlichtungsverfahren durch einen Fachanwalt für Bank- und Kapitalmartrecht an.

II. Die wesentlichen Verjährungsvorschriften im Kapitalanlagerecht:

Schadenersatzansprüche aus Beratungshaftung verjähren nach:

  • § 37a WpHG: 3 Jahre ab Kaufauftrag/Zeichnung; gilt nur für Wertpapiere;  taggenaue Verjährung
  • §§ 195, 199 BGB: 3 Jahre ab Kenntnis oder fahrläsiger Unkenntnis der zum Schadenersatz führenden Umstände(Fondrundschreiben, Presseberichte, etc); beginnt zum Ende des jeweiligen Jahres
  • § 199 Abs. 3 Nr. 1: 10 Jahre ab Entstehung (Zeichnung/Kaufauftrag); taggenaue Verjährung

III. Verjährung von allen Altfällen im Bankrecht und Kapitalanlagerecht zum 31.12.2011:

Der Gesetzgeber hat mit der Schuldrechtsreform eine kenntnisunabhängige, absolute Verjährungsfrist eingeführt. Danach verjähren Schadenersatzansprüche gemäß § 199 Abs. 3, Nr. 1 BGB ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 10 Jahren von ihrer Entstehung an. Das bedeutet, dass Ansprüche aus fehlerhafter Anlageberatung, die vor dem 1. Januar 2002 entstanden sind, in jedem Fall spätestens am 31. Dezember 2011 verjähren.
Ansprüche auf Auszahlung, Abfindungsguthaben und sonstige Schadenersatzansprüche, welcher erst später (also nicht mit Vertragsschluss) entstehen, sind heirvon nicht erfasst.


Zeichnungen nach dem 1.01.2002 verjähren in 10 Jahren ab dem jeweiligen Zeichnungsdatum:

Für Zeichungen/Vertragsschluss nach dem 01.01.2002 beginnt die 10 jährige absolute Verjährung jeweils 10 Jahre ab dem Tag der Zeichnung zu laufen. Dies unabhängig davon, ob der Anleger Kenntnis von den jeweiligen Umständen hatte, die zum Schadenersatzanspruch führen (Falschberatung, Prospekthaftung, Kapitanlagebetrug, etc.)  
Beispiel: Haben Sie einen Vertrag nach Beratung am 15.05.2002 geschlossen, so verjähren sämtliche Schadenersatzansprüche mit Ablauf des 15.05.2012.


IV. Zur Verjährung eines Anspruchs auf Abfindung / Auseinandersetzungsguthaben


Anleger sollten die Verjährung ihrer Schadenersatzansprüche rechtzeitig verhindern:
Die Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung ist möglich durch Klage, Mahnbescheid oder Güteverfahren, § 204 BGB.

Lösung: Einleitung eines Schlichtungsverfahrens oder Güteverfahrens:
Soweit eine Klageerhebung mangels Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung oder rechtlichen bzw. tatsächlichen Unsicherheiten noch nicht geboten erscheint, ist die rechtzeitige Einleitung eines Schlichtungsverfahrens zu empfehlen. Die Kanzlei Justus Rechtsanwälte bietet die form- und fristgerechte Einleitung des Güteverfahrens in Zusammenarbeit mit einer staatlichanerkannten Schlichtungsstelle seit Jahren an. Hierbei sind eine Vielzahl von Formalitäten zu beachten, deren Nichteinhaltung zu einer Nichhemmung und daher zu einem Verlußt der Ansprüche führen kann. 

Kosten des Schlichtungsverfahrens:
Die Gebühren der von JUSTUS angerufenen Schlichtungsstelle für die Durchführung des Güteverfahrens betragen unabhängig von dem Streitwert lediglich 238,- €. Hierdurch wird die zum drohende Verjährung zunächst bis zu 6 Monate nach Scheitern der Güte gehemmt.  Somit ist ausreichend Zeit - in der Regel 10-12 Monate - um die Erfolgsaussichten und das Kostenrisiko einer Klage seriös prüfen zu lassen.

Lesen Sie hierzu bitte weiter hier:
Hemmung der Verjährung durch Schlichtungsverfahren



Wichtiger Hinweis:
Die hier aufgeführten Verjährungsvorschriften sind nicht abschließend und/oder ggf. für ihren Fall nicht anwendbar. Für eine Verjährungsberechnung und deren Hemmung oder Unterbrechung - gerade im Bank- und Kapitalmarktrecht - sollte immer rechtzeitig ein hierauf spezialisierter Rechtsanwalt beauftragt werden.

Für die schriftliche Erstberatung, welche auch die Deckungsanfrage bei Ihrer Rechtsschutzversicherung umfasst, drucken Sie bitte einfach das
Auftragsformular für geschädigte Kapitalanleger aus und senden es ausgefüllt, zusammen mit den Zeichnungsscheinen und den wesentlichen Unterlagen zu. Für die Erstberatung entsteht Ihnen eine Gebühr in Höhe von netto 80,- €.


Ansprechpartner:
Rechtsanwalt Knud J. Steffan
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
JUSTUS Rechtsanwälte & Steuerberater
Eberswalder Straße 26
10437 Berlin

Tel.: 030 / 440 449 66
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