Kündigung von Bausparverträgen durch Bausparkassen

Kündigung von Bausparverträgen durch Bausparkassen

– Ist die Kündigung von zuteilungsreifen Bausparverträgen rechtwirksam? –

Um die Antwort vorweg zu nehmen, wir halten die Kündigung von zuteilungsreifen, noch nicht voll angesparten Bausparverträgen für unwirksam. Den Bausparkassen steht im Regelfall weder ein gesetzliches noch ein vertragliches Kündigungsrecht zu.

Ausgangslage
Ende des letzten Jahres kündigten unter anderem die Landesbausparkassen aber auch die BHW Bausparkasse vermehrt Verträge, die vor dem Jahr 2004 abgeschlossen wurden. Diesen Verträgen gemein ist, dass sie noch nicht voll angespart, aber schon seit mehr als 10 Jahren zuteilungsreif sind.
Hintergrund dieser Kündigungswelle ist die anhaltende Niedrigzinsphase, die die Bausparkassen vor eine problematische Refinanzierungsfrage stellt, denn die Altverträge werden zumeist fürstlich verzinst.

Rechtslage
In der Rechtsprechung ist mittlerweile anerkannt, dass eine Bausparkasse einen Bausparvertrag dann kündigen kann, wenn die Bausparsumme erreicht und damit der Zweck des Bausparvertrages erfüllt wurde (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 2. September 2013, Az. 19 U 106/13; OLG Stuttgart, Beschluss vom 14. Oktober 2011, Az. 9 U 151/11).

Ob auch die Kündigung eines noch nicht voll angesparten, aber bereits zuteilungsreifen Bausparvertrages wirksam ist, hängt im Wesentlichen davon ab, wie der Zweck des Bausparvertrages definiert wird. Das angeführte Kündigungsrecht leiten die Banken aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ab:
(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,

2. in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.
Der Darlehensnehmer ist in diesem Fall die Bausparkasse, die von ihren Kunden Geld in Empfang nimmt. Wann jedoch der vollständige Empfang vorliegt, bestimmt sich wiederum nach dem Vertragszweck.

OLG Stuttgart
Das Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 14. Oktober 2011, Az. 9 U 151/11, argumentiert insoweit, dass der Vertragszweck die Erlangung eines Bauspardarlehens bis zum Erreichen der Bausparsumme ist. Das bedeutet, dass der Bausparvertrag solange unkündbar ist, wie die Auszahlung des Darlehens an den Bausparer noch möglich ist.

LG Frankfurt a.M.
Das Landgericht Frankfurt hat mit Urteil vom 22.02.2013 (Az. 21 O 69/12) festgestellt, dass der Bausparkasse ein Kündigungsrecht nach § 488 Abs. 3 BGB zusteht, wenn die Gewährung eines Bauspardarlehens nicht mehr möglich ist, weil die Bausparsumme erreicht wurde. Zugleich lehnt das Landgericht Frankfurt ein Kündigungsrecht gem. § 489 Abs.1 Nr. 2 BGB ab.

LG Mainz
Die gegenteilige Auffassung vertritt das Landgericht Mainz, Urteil vom 28.07.2014, Az. 5 O 1/14, das davon ausgeht, ein vollständiger Empfang liege bereits mit Erreichen der erstmaligen Zuteilungsreife vor, weil das Darlehen zu diesem Zeitpunkt erstmals abgerufen werden könne.

Fazit:
Die Experten unserer Kanzlei halten die Auslegung des Landgerichts Mainz für nicht haltbar. Der Zweck eines Bauspardarlehens ist das Erreichen der Bausparsumme, sodass dieser bis zur vollständigen Ansparung nicht erreicht ist. In der Konsequenz können Sie einer Kündigung der Bausparkasse widersprechen und die Weiterführung des ursprünglichen Vertrages zu attraktiven Zinsen verlangen.
In jedem Fall lohnt sich aufgrund der bisher nicht höchstrichterlich entschiedenen Rechtsfragen die Konsultation eines spezialisierten Rechtsanwaltes.
Gern stehen auch wir Ihnen mit Rat und Tat zur Seite.

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Rechtsanwalt Knud J. Steffan
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
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10437 Berlin

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BAUSPARVERTRÄGE UND KÜNDIGUNG19
Bausparvertrag


I. Der Bausparvertrag: Einführung


Ein Bausparvertrag ist ein Sparvertrag, den der Anleger (Bausparer) mit einer Bausparkasse abschließt.

Der Bausparvertrag ist eine Anlageform für die steuerlich geförderten vermögenswirksamen Leistungen, zur Gewährung der Arbeitnehmersparzulage und Wohnungsbauprämie. Bauspardarlehen werden hauptsächlich für die Immobilienfinanzierung eingesetzt.

Der mit Vertragsabschluss vereinbarte Bauspartarif bestimmt die Zinssätze (Sparzins und Darlehenszins), die Ansparzeit, die Tilgungszeit, eine eventuelle Mindestvertragsdauer, das Mindestguthaben bei Zuteilung, die Regelspar- und Tilgungsbeiträge und die Abschlussgebühr bereits bei Vertragsabschluss. Bausparkassen bieten unterschiedliche Bauspartarife an, z. B. Standardtarife, Schnellspartarife, Langzeittarife, variable Tarife. Die Laufzeit eines Standardtarifs beträgt zwischen 18 und 20 Jahren, davon sind etwa 8 Jahre Ansparzeit.

Nach Vertragsschluss wird meist eine Abschlussprovision von 1 % bis zu 3 % der Bausparsumme bedient, was die effektiven Guthabenzinsen mindert. Die Bausparsumme ist die Summe des Sparanteils und des möglichen Bauspardarlehens. Der fest vereinbarte Sparzins berechnet sich bezogen auf das angesparte Guthaben. Der fest vereinbarte Darlehenszins berechnet sich bezogen auf die nominelle Vertragssumme, nicht allein auf die effektive Darlehenssumme.

Da das Bauspardarlehen im Wesentlichen aus den angesparten Guthaben anderer Bausparer, deren Vertrag noch nicht zuteilungsreif ist, gezahlt wird, ist nicht genau vorhersehbar, wie viel Kapital zur Zuteilung zur Verfügung stehen wird. Deshalb kann keine feste Bewertungszahl angegeben werden, ab der ein Vertrag zugeteilt wird.

II. Ein Bausparvertrag ist untergliedert in drei verschiedene Phasen:

1. Die Sparphase beim Bausparvertrag

Die vertraglich vereinbarte Bausparsumme wird zu dem vertraglich festgelegten Prozentsatz angespart. Das Kapital wird durch die Gesamtheit der Bausparer einer Bausparkasse gesammelt. Der Bausparer hat einen Rechtsanspruch auf das Bauspardarlehen aus einem zuteilungsreifen Bausparvertrag, der vererbbar ist.

2. Die Zuteilung beim Bausparvertrag

Als Zuteilung des Bausparvertrags wird die Freigabe seitens der Bausparkasse zur Auszahlung bezeichnet. Zum Zeitpunkt der Zuteilung kann der Bausparer sich das Guthaben und – nach Stellung einer ausreichenden Sicherheit – das Darlehen auszahlen lassen. Eine Zuteilung des Bausparvertrages kann erfolgen, wenn die Zuteilungsvoraussetzungen erfüllt sind. Die Kriterien für die Zuteilungsreife sind in den Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ABB) festgelegt.
Die Zuteilungsvoraussetzungen ergeben sich aus Mindestguthaben Mindestvertragsdauer, Mindestsparzeit und Mindestbewertungszahl.

3.. Die Darlehensphase beim Bausparvertrag

Bei Zuteilungsreife wird der bis zur abgeschlossenen Vertragssumme fehlende Teil des Bausparvertrags als Bauspardarlehen gewährt, so dass der Bausparer nach Zuteilung über die volle Bausparsumme verfügen kann. Für das Darlehen wird vom Darlehensnehmer der vertraglich vereinbarte Darlehenszins unabhängig von dem aktuellen Zinssatz gezahlt.

In der Darlehensphase wird das Bauspardarlehen getilgt. Das Bauspardarlehen kann jederzeit ganz oder teilweise zurückgezahlt werden, ohne dass die bei Banken üblichen Vorfälligkeitsentschädigungen anfallen.

III. Bausparkassen kündigen weiterhin Bausparverträge:

Die von den Bausparkassen veranlassten Kündigungen von Bausparverträgen gehen weiter! Betroffen sind vor allem Kunden der BHW Bausparkasse AG, der LBS Baden-Württemberg, der LBS Bayern, der LBS West, der LBS Nord, der Wüstenrot Bausparkasse AG, der Deutsche Bausparkasse Badenia AG, der BSQ Bausparkasse AG sowie anderer Bausparkassen mit vergleichsweise hohen Zinsen bei Bausparverträgen.

IV. Problem: Vorzeitige Kündigung von Bausparverträgen durch Bausparkassen:

In den nächsten Monaten ist mit einer Klagewelle gegen die betroffenen Bausparkassen zu rechnen, da zigtausenden Kunden die Bausparverträge vorzeitig gekündigt wurden. Die Gründe für die Kündigung der Bausparverträge liegen in dem derzeit und wohl längerfristig niedrigen Zinssatz. Da Bausparverträge meist gut verzinst sind, können Baussparkassen den vereinbarten Zinssatz u.U. nicht mehr finanzieren und versuchen die langen Ansparphasen durch vorzeitige Kündigungen zu umgehen.

V. Urteile zu Kündigungen von Bausparverträgen:

Wir haben für Sie eine Urteilsübersicht Kündigung Bausparvertrag der bisher bekannten und relevanten Entscheidungen mit den jeweiligen Ergebnissen zusammengestellt.


Viele Bausparer gehen bereits anwaltlich gegen die rechtswidrigen Kündigungen ihrer Bausparverträge vor, andere zögern noch und wollen zunächst Rechtssicherheit haben. Erste Klageverfahren gegen die BHW Bausparkasse AG und andere Bausparkassen laufen schon.
JUSTUS Rechtsanwälte vertreten erfolgreich eine Vielzahl von Bausparern bundesweit gegen Kündigung verschiedener Bausparkassen.

Justus rät:

Bausparer solten nicht zögern gegen die Kündigungen gleich anwaltlich und ggf. gerichtlich vorzugehen. Ein Abwarten höchstrichterlicher Entscheidungen in der Rechtsproblematik wird, wie leider so häufig, zu spät kommen. Inzwischen können Verjährung, Verwirkung oder Anerkenntnis eintreten und der Anspruch auf Fortsetzung des Vertrages untergehen.

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