Doppelte Schriftformklausel im Arbeitsvertrag
schließt betriebliche Übung nicht mehr ohne Weiteres aus
"Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages sind, auch wenn sie bereits mündlich getroffen wurden, nur wirksam, wenn sie schriftlich festgelegt und von beiden Parteien unterzeichnet worden sind. Dies gilt auch für den Verzicht auf das Schriftformerfordernis."
Sie sind Arbeitnehmer und auch in Ihrem Arbeitsvertrag findet sich eine solche Klausel? Dann haben Sie sich sicherlich schon häufig gefragt, was dies zu bedeuten hat oder sind vermutlich in den Jahren während Ihrer Anstellung bislang davon ausgegangen, dass mündliche Nebenabreden mit Ihrem Chef keinerlei Geltung beanspruchen. Nach einer solchen Klausel bedarf nämlich nicht nur jede Änderung oder Ergänzung des Arbeitsvertrags zwingend der Schriftform, sondern auch die Änderung des Schriftformerfordernisses selbst. Die Formulierung findet sich in einer Vielzahl von Verträgen in Arbeitsverträgen wieder, wobei es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) im Sinne der §§ 305 ff. BGB handelt. Arbeitgebern beziehen diese gern in den Arbeitsvertrag mit ein, um sich vor unüberlegten nachträglichen mündlichen Absprachen mit dem Arbeitnehmer zu schützen.
So berief sich ein Arbeitgeber gegenüber seinem Arbeitnehmer in einem dem Bundesarbeitsgericht (BAG, Az.: 9 AZR 382/07) zur Entscheidung vorgelegten Streitfall unter Verweis auf eine sog. doppelte Schriftformklausel im Arbeitsvertrag darauf, er müsse sich an einer individuellen Vereinbarung nicht länger festhalten lassen, da es zu deren Wirksamkeit einer schriftlichen Aufhebung des Schriftformerfordernisses bedurft hätte. Der Arbeitnehmer klagte auf Zahlung der Mietkosten für einen Auslandseinsatz, die der Arbeitgeber in der Vergangenheit regelmäßig gewährt hatte.
Bislang konnte jedoch tatsächlich nach einer Entscheidung aus dem Jahr 2003 (Urteil vom 24.6.2003, 9 AZR 302/02) durch die Vereinbarung einer doppelten Schriftformklausel insbesondere die Entstehung einer betrieblichen Übung wirksam verhindert werden. Mit einer bislang nur als Pressemitteilung veröffentlichten Entscheidung vom 20. Mai 2008 (Az.: 9 AZR 382/07) leitete das BAG jetzt hingegen eine Kehrtwende in der Rechtsprechung ein. Demnach sind doppelte Schriftformklauseln in der derzeit verwendeten Form wegen Verstoßes gegen das Verbot der unangemessenen Benachteiligung (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) unwirksam.
Das BAG stellt zunächst klar, dass ausdrückliche mündliche Vereinbarungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien wegen des in § 305 b BGB geregelten „Vorrangs der Individualabrede" in einem Formulararbeitsvertrag nicht wirksam durch eine doppelte Schriftformklausel ausgeschlossen werden können, d.h. mündliche Absprachen sind wirksam. Diese Feststellung hat weit reichende Konsequenzen sowohl für die Arbeitgeber als auch die Arbeitnehmer:
In unzutreffender Weise ist nämlich bei Arbeitnehmern in den letzten Jahren der Eindruck erweckt worden, eine individuelle (mündliche) Vertragsabrede sei wegen Nichteinhaltung der Schriftform unwirksam. Dies ist nach der neuesten Entscheidung des BAG schlichtweg falsch. Der klagende Arbeitnehmer konnte sich daher in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall trotz der arbeitsvertraglich vereinbarten doppelten Schriftformklausel nunmehr erfolgreich auf das Vorliegen einer betrieblichen Übung berufen. Der Arbeitgeber musste dem Arbeitnehmer die Mietkosten zahlen. Der Arbeitgeber kann nämlich nicht einerseits bestimmte Leistungen dauerhaft (sog. betriebliche Übung) gewähren und diese andererseits nach eigenem Dünken wieder aushebeln, indem er sich plötzlich auf den Mangel der Schriftform beruft.
Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind infolge dieser bedeutenden BAG-Entscheidung gleichermaßen auf den Plan gerufen worden. Letztere sollten schnellstmöglich prüfen lassen, inwieweit betriebliche Übungen für die Zukunft mit den richtigen Formulierungen ausgeschlossen werden können. Arbeitnehmer haben hingegen noch die Möglichkeit, im Wege betrieblicher Übungen erlangte Vorteile auszukosten, solange Ihnen dies der Arbeitgeber nicht mit einer schriftlichen Änderung im Arbeitsvertrag versagt. Wer möchte schon auf das jährliche Weihnachtsgeld verzichten, wenn ein rechtlicher Anspruch darauf besteht?
Diese und weitere damit im Zusammenhang stehende Fragen sollten Sie rechtzeitig von einem unserer im Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwälte prüfen lassen, da nur anhand des Einzelfalls eine verlässliche Aussage getroffen werden kann, ob sich auch in Ihrem Fall ein Anspruch ergibt. JUSTUS Rechtsanwälte und Steuerberater stehen Ihnen hierfür zur Verfügung.
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