Arbeitsrecht: Abgrenzung zwischen Scheinselbstständigkeit und tatsächliche selbstständige Tätigkeit
Die Abgrenzungen zwischen Scheinselbstständigkeit und Selbstständigkeit sind fließend. Daraus ergeben sich sowohl für Auftraggeber und Auftragnehmer bzw. Arbeitgeber und Arbeitnehmer erhebliche rechtliche Probleme und Risiken.
Von Scheinselbstständigkeit spricht man, wenn bei Auftragnehmern, die als Selbstständige auftreten, das jeweilige Vertragsverhältnis so gestaltet ist, dass sie zu den abhängigen Beschäftigten zählen. Sie sind rechtlich als Arbeitnehmer einzustufen, so dass sie von Anfang an sozialversicherungspflichtig sind.
CHECKLISTE:
Abgrenzungskriterien: Scheinselbstständigkeit— Selbstständiger
Scheinselbstständig ist das jeweilige Vertragsverhältnis, nicht die Person selbst.
Für den Versicherungsträger ist maßgeblich, ob und in wie weit der Mitarbeiter an Weisungen des Auftraggebers gebunden und in dessen betriebliche Abläufe integriert ist.
Folgende Punkte können für Scheinselbstständigkeit sprechen:
- Der Scheinselbstständige hat keine Möglichkeit die eigene Tätigkeit weitestgehend selbst zu bestimmen- er ist also gegenüber dem Auftraggeber weisungsgebunden,
- er dauerhaft nur einen Auftraggeber,
- hat keine freie Zeiteinteinteilung,
- sein Arbeitsplatz, sowie Arbeitsmaterialen werden vom Auftraggeber gestellt,
- er ist an einen Dienstplan gebunden,
- in den Betriebsabläufen integriert,
- bekommt eine tarifliche Entlohnung bzw. festes, erfolgsunabhängiges Entgelt,
- trägt selbst kein Unternehmerrisiko und
- besitzt keine private Absicherung für Krankheit und Rente.
Scheinselbstständigkeit ist ein illegales Arbeitsverhältnis trotz Unkenntnis des Arbeitgebers bzgl. des Gesetzesverstoßes (Landessozialgericht Rheinland Pfalz; Urteil vom 29.07.2009- L6R 105/09)
Das LSG Rheinland Pfalz kam in seinem Urteil zu dem Ergebnis, dass zwischen den Beteiligten ein illegales Arbeitsverhältnis im Sinne des Sozialgesetzes vorlag, obwohl die Parteien von der Selbstständigkeit ausgingen. Es ist ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis und somit sozialversicherungspflichtig. Die Forderung der Nachzahlung aller Sozialversicherungsbeiträge ist rechtens.
Das Gericht wies darauf hin, dass ein Beschäftigungsverhältnis bereits illegal ist, wenn geltende gesetzliche Bestimmungen objektiv nicht eingehalten werden.
Es kommt nicht auf die persönliche Sichtweise des Arbeitgebers bzw. des Auftragnehmers an. Gleich wenn die Beteiligten weder vorsätzlich noch fahrlässig agierten, bleibt das Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Gesetzes rechtswidrig. Der Rentenversicherungsträger ist somit berechtigt, den Arbeitgeber zur Nachzahlung der Sozialversicherungsbeiträge heranzuziehen.
Wurde vom Rentenversicherungsträger das Beschäftigungsverhältnis als sozialversicherungspflichtig eingestuft, ergeben sich folgende Möglichkeiten für die zukünftige Vertragsgestaltung:
- Die Vertragsbedingungen des Beschäftigungsverhältnisses können von den Beteiligten so angepasst werden, dass der Auftragnehmer tatsächlich eine selbstständige Tätigkeit ausübt. Die Sozialversicherungsbeiträge müssen vom Arbeitgeber nachgezahlt werden.
- Die Beteiligen schließen einen Arbeitsvertrag. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer bei der Sozialversicherung anmelden. Die Sozialversicherungsbeiträge müssen vom Arbeitgeber nachgezahlt werden.
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