Arbeitsrecht: Zwangspensionierung europarechtswidrig?

Ist die Zwangspensionierung europarechtswidrig?

Das Verbot der Altersdiskriminierung ist ein allgemeiner Grundsatz des Europarechts. Die Richtlinie (2000/78/EG) schützt diesen Grundsatz und erlaubt zugleich unter besonderen Umständen Ausnahmen, die eine Ungleichbehandlung wegen Alters rechtfertigen. Wann aber vom Vorliegen solcher Umstände auszugehen ist, sodass eine Altersdiskriminierung in Form einer Zwangspensionierung oder Pensionierung als zulässig angesehen werden kann, ist umstritten.

Rechtsprechung des EuGH und BGH zur Pensionierung

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich bereits mehrmals zum Thema Zwangspensionierung, die eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt des Erreichens eines bestimmten Alters mit ich bringt,  geäußert (Urteil „ Palacios “: C-411/05, Urteil „Age Concern England“: C-388/07). Er erkennt grundsätzlich die Zulässigkeit einer Zwangspensionierung an. An diese stellt der EuGH jedoch bestimmte Voraussetzungen. So muss durch die Pensionierung ein sozialpolitisches Ziel verfolgt werden, dass oft in der Eindämmung der Arbeitslosigkeit und der Zugangserleichterung der jungen Arbeitnehmer zum Arbeitsmarkt zu sehen ist. Weiterhin soll die Zwangspensionierung selbst zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein, sodass keine milderen Mittel zur Regelung der Arbeitsmarktlage in Betracht kommen. Zuletzt muss die daraus resultierende Schlechterstellung der älteren Arbeiter selbst verhältnismäßig und erforderlich sein, was oft durch einen angemessenen Ausgleich in Form einer Altersrente bewerkstelligt wird.

Auch der BGH folgt der Rechtsprechung des EuGH und sieht die Zwangspensionierung ebenfalls grundsätzlich nicht im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht stehen.

Die Entscheidung des ArbG Hamburg zur Zwangspensionierung

Das Arbeitsgericht Hamburg (EuGH- Vorlage: 20.01.2009, 21 Ca 235/08) hat jedoch vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung Zweifel an der Zulässigkeit der Zwangspensionierung. Daher hat es das Verfahren ausgesetzt, um dem EuGH Fragen zur Auslegung der 78/2000/EG Richtlinie vorzulegen. Im dem zu entscheidenden Fall geht es um eine Teilzeitkraft einer Gebäudereinigungsfirma (Klägerin), der kurz nach ihrem 65. Geburtstag das Arbeitsverhältnis beendet wurde.

Kann sich der Arbeitnehmer gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Zwangspensionierung wehren?

Das Gericht führt aus, dass die Altersgrenze seit Jahrzehnten als Standartgrenze in allen Branchen üblich geworden ist, obwohl keinerlei Hinweise auf die konkrete Arbeitsmarktlage bestanden haben. Auch der vom EuGH geforderte Ausgleich der Altersdiskriminierung sei angesichts der kleinen Altersrente nicht gegeben. Dieses Problem sei besonders in allen Niedriglohnsektoren gegeben, wo die wirtschaftliche Absicherung im Alter nicht ausreichend sei. Daher hat das ArbG Hamburg die Notwendigkeit einer Weiterbeschäftigung im konkreten Fall bejaht und den EuGH um Auslegung der Richtlinie gebeten.

Folglich sind weitere Entscheidungen des EuGH zum Thema Zwangspensionierung durchaus wünschenswert, um weitere Klarheit in diese umstrittene Materie zu bringen.


Ansprechparter:
Rechtsanwalt Knud J. Steffan

JUSTUS Rechtsanwälte & Steuerberater
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